
Droht dem Wintersport das Aus?
DW
Fortschreitender Klimawandel, Schneemangel und fehlende Akzeptanz - der Wintersport kämpft mit vielen Problemen. Einige Disziplinen sind besser aufgestellt als andere - verändern müssen sich künftig aber wohl alle.
"Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir wegkommen von dem Begriff Wintersport" - diesen Satz hat mit Alexander Stöckl ausgerechnet ein Skisprungtrainer gesagt. Der Österreicher ist seit 2011 für die sportlichen Erfolge des norwegischen Nationalteams verantwortlich. Die Zukunft seines Sports sieht er nicht zwingend auf schneebedeckten Schanzen und Aufsprunghängen. "Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir versuchen, ein Ganzjahresdenken reinzubringen", sagt Stöckl. "Ich glaube, dass wir eine Extremsportart sind und dass man sie egal wo und egal wie machen kann."
Dass der Österreicher damit nicht Unrecht hat, war bereits zu Beginn dieses Weltcup-Winters zu sehen. Wegen des ungewöhnlichen Termins der Fußball-WM in Katar starteten die Skispringer früher in ihre Saison. Da allerdings Anfang November in Zakopane noch kein Schnee lag, landeten die Springer auf Matten statt auf Schnee. "Wir haben das Glück, dass wir die Mattenschanzen haben, dass das machbar ist und dass wir keinen Schnee brauchen", sagt Stöckl auch mit Blick auf den Klimawandel.
Tatsächlich finden große Teile des Trainings und der Saisonvorbereitung ohnehin schon seit längerer Zeit nicht auf Schnee, sondern auf Mattenschanzen statt. Diese können im Sommer und im Winter genutzt werden und sind daher so gut wie wetterunabhängig. Benötigt wird im Grunde nur Wasser und Strom. Das Wasser wird ständig fließend in die Anlaufspur eingeleitet, die aus zwei Kunststoff- oder Keramikrinnen besteht. Es gefriert dort dank untergelagerter Kühlaggregate teilweise und bildet auf dem Eis einen Film, auf dem die breiten Sprungskier zum Schanzentisch gleiten.
Auch die Matten, deren einzelne Fasern an sehr lange Borsten eines groben Besens erinnern, werden mittels Düsen von der Seite regelmäßig bewässert. Allerdings findet die Bewässerung von Schanze und Aufsprunghang jeweils in einem geschlossenen Kreislauf statt. Das Wasser wird unten aufgefangen, nach oben gepumpt und "wiederverwendet". Die Matten bleiben auch im Winter auf dem Hang liegen und mit einem Netz bespannt, damit der Schnee darauf haftet und nicht abrutscht - die Neigung des Hangs beträgt an der steilsten Stelle 35 bis 38 Grad.
Dass man wegen der Mattentechnik ortsunabhängig sein kann, sorgt auch bei Alexander Stöckl für neue Ideen. "Wie wäre das, wenn in zehn Jahren Kinder auf der ganzen Welt davon träumen würden, 250 Meter auf Ski zu fliegen - und nicht nur die, die in Europa oder vielleicht in Amerika Ski fahren?", fragt er. "Und das geht, weil wir überall Mattenschanzen hinstellen können." Skispringen in Afrika, Australien oder Südamerika also? Und das möglicherweise in gänzlich neuen Formaten, weg vom klassischen Skispringen mit erstem und zweitem Durchgang? Eine Bereitschaft für Veränderungen weg vom Wintersport, hin zum Extremsport ist auch bei den Athleten durchaus vorhanden.
