Diplomat im Trainingsanzug
Frankfurter Rundschau
Hansi Flick hat schnell erkannt, dass er als Bundestrainer nicht nur Nationalspieler nominiert, sondern auch sportpolitisch unterwegs ist. Die Vereine nimmt er geschickt mit ins Boot.
Im Urlaub vor seinem Amtsantritt hat Hansi Flick unsanft zu spüren bekommen, wie schwierig es ist, hohe Wellen zu meistern. An der französischen Atlantikküste zwischen Bordeaux und Biarritz können die Kracher schon mal furchteinflößend Richtung Strand donnern, Flick hat sich beim Surfen den einen oder anderen blauen Fleck geholt. Als Fußball-Bundestrainer tut sich der 56-Jährige leichter, die Welle zu reiten. Keiner seiner Vorgänger ist so gut wie er mit 12:0 Toren und neun Punkten aus drei Spielen in den Job gestartet.
Wer ihn im Training beobachtet, sieht einen Fußballlehrer, der auffällig mehr an seine Assistenten delegiert, als das Vorgänger Joachim Löw getan hat. Flick schaltet sich nur bei dringendem Bedarf in die Trainingsarbeit ein. Was bewirkt, dass ihm dann umso intensiver zugehört wird. Der gebürtige Heidelberger ist handlungssicher in seinem Job, er hat nach einem Umweg über zwei Sportdirektorenposten beim DFB und bei der TSG Hoffenheim dann beim FC Bayern gespürt, „wo ich hingehöre: auf den Platz.“
Als Chef tut sich Flick in der Öffentlichkeitsarbeit viel leichter als zuvor in der Assistentenrolle, die er bis 2014 unter Löw ausfüllte und mit dem WM-Titel krönte. Seinerzeit hatte er allergrößte Mühe, als zweiter Mann meinungsstark aufzutreten. Pressekonferenzen waren ihm ein Graus, er litt geradezu körperlich.