
"Dieses Gesetz macht die Ukraine etwas russischer"
n-tv
Auf Krücken bewegt sich Ivan Nikolienko, 30 Jahre alt, durch die dicht gedrängte Menge vor dem Ivan Franko Theater in Kiew. Dort, in Sichtweite des hermetisch abgeriegelten Büros von Präsident Wolodymyr Selenskyj, wird seit Dienstag gegen das umstrittene Gesetz Nummer 12414 protestiert. Die Demonstranten kritisieren, dass dadurch die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden eingeschränkt werden soll. Selenskyj reagierte auf die Kritik und legte einen neuen Gesetzentwurf vor. Doch die Proteste halten an.
Nikolienko sieht sich selbst als Veteran an zwei Fronten: Der Front im Krieg gegen Russland und jener im Kampf gegen die Korruption in seinem Land. Seit fünf Jahren arbeitet er als Analyst beim Anti-Corruption Action Centre (Antac). Im Interview erklärt er, warum er von Selenskyj enttäuscht ist.
ntv.de: Herr Nikolienko, warum demonstrieren Sie heute hier?
Ivan Nikolienko: Ich bin ein Veteran des russisch-ukrainischen Krieges. Ich wurde an der Front verletzt und habe zwei gebrochene Beine. Im Grunde habe ich im Krieg für die Werte, für die wir in den Jahren 2013 bis 2014 auf dem Maidan gekämpft haben, meine Fähigkeit verloren, normal zu gehen. Einer der Hauptgründe war, dass ich meinen Kindern die Möglichkeit geben wollte, in einem europäischen Land zu leben. In den letzten Jahren hatten wir einen äußeren Feind, Russlands Präsident Wladimir Putin und die Russen. Heute ist klar, dass wir auch einen inneren Feind haben, der den Kampf gegen die Russen erheblich erschwert. Ich bin hier, weil dies nicht das Land ist, für das ich gekämpft habe.
