
Die riskante Radikalität des Bundestrainers
n-tv
Ein Quartett des VfB Stuttgart, die Ausbootung von Leon Goretzka und mehreren BVB-Stars: Mit dem ersten DFB-Kader des Jahres geht Bundestrainer Julian Nagelsmann ins Risiko. Doch es ist auch die Rückkehr von etwas, was in der Nationalelf schon fast verloren schien.
Das bislang letzte erfolgreiche Turnier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft liegt mittlerweile schon etwas zurück. Genau genommen sind es sieben Jahre seit dem Confederations Cup in Russland, damals hieß der Bundestrainer noch Joachim Löw. Das Bemerkenswerte war: Es war das letzte Mal, dass es eine grundlegende Veränderung im DFB-Kader gab. Bis jetzt: Bei seiner Kaderverkündung für die Testspiele gegen Frankreich und die Niederlande rief Bundestrainer Julian Nagelsmann eine ähnliche Radikalität aus.
Damals war es so: Sportlich war Löw das Turnier egal, er probierte stattdessen wild Personal aus: Der Confed Cup sei "eine Zwischenstation, ein Warm-up für die Mission WM", sagte er damals. Der "Perspektivkader", der etwa Sandro Wagner zum Nationalspieler machte, holte zwar den Titel, doch nachhaltig brachte es wenig. Die Mission 2018 scheiterte mit dem Aus in der Gruppenphase kläglich, die Geister der Russland-WM konnte die Nationalmannschaft nie richtig abschütteln.
Nun könnte die Lage zu heute kaum unterschiedlicher sein. Denn Bundestrainer Nagelsmann hat ein Problem. Anders als Löw hat er keine Zeit mehr für einen "Perspektivkader". Vor der im Juni beginnenden Heim-EM bleibt ihm nur ein heikler Drahtseilakt: Er muss etwas ändern, es darf aber nicht zu viel sein. Auf der USA-Reise und für die Spiele gegen die Türkei und Österreich ließ Nagelsmann die Kader-Grundstruktur unangetastet und holte sogar Rio-Weltmeister Mats Hummels zurück. Der Erfolg hielt sich in Grenzen: Die Offensive blieb behäbig, die Defensive wacklig. Das sah auch der Bundestrainer so. Der nächste Neuanfang, den er nun verkündete, schien also alternativlos.
