Die neue Wut auf die Macht des Staates
Frankfurter Rundschau
Soll er nun weg oder einfach nur besser werden? Eine kurze Kulturgeschichte der Staatsfeindschaft.
In der Stunde der Not haben die Skeptiker Konjunktur. „Wir haben erlebt“, schreibt Heribert Prantl in seinem Essay „Not und Gebot“ (C. H. Beck), „dass das Sichere nicht mehr sicher ist und das Sichergeglaubte nicht mehr hält, und dass Grundrechte als Ballast und als Gefahr gelten im Kampf gegen Covid-19.“ Prantls elaboriertes Misstrauen gilt dabei einem Staat, der sehr kleinteilige Regeln erlassen hat, „um die Bürgerinnen und Bürger vor Corona und vor sich selbst zu schützen“. Für den Philosophen Peter Sloterdijk sind dies sichere Anzeichen dafür, dass der Staat seine Samthandschuhe abstreift, wie ein Suhrkamp-Titel nahelegt, in dem einige aktuelle Interviews mit Sloterdijk versammelt sind. Ist er denn zuletzt als eine uns geschmeidig umgebende Hülle wahrgenommen worden, unser Staat? In den 1970er Jahren jedenfalls war eine Vorstellung vom übermächtigen Staat allgegenwärtig. Bei den Demonstrationen gegen die Startbahn-West und die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf meinte der junge Mensch, einem Polizeistaat gegenüberzustehen, und viele schienen geneigt, die Dystopie, die der österreichische Zukunftsforscher Robert Jungk in seinem Buch „Der Atomstaat“ entwickelt hatte, für bare Münze zu nehmen. Jungks Thema war die Deformierung des Menschen durch Einschränkung der persönlichen Freiheit. Die Atomlobby, so die düstere Annahme, verfolge ihre Ziele mittels Repressionen, der Erzeugung von Ängsten und gegenseitiger Bespitzelung. „Mit der technischen Nutzbarmachung der Kernspaltung wurde der Sprung in eine ganz neue Dimension der Gewalt gewagt“, heißt es in dem 1977 erschienen und schnell zum Bestseller avancierten Buch Robert Jungks, in dem dieser das Schreckensbild eines neuen Totalitarismus zeichnete.More Related News