Die gute Nachricht
Süddeutsche Zeitung
Russland und die USA setzen ihre Bemühungen fort, den Konflikt um die Ukraine gütlich beizulegen. Das ist definitiv ein Erfolg der Diplomatie. Was es jetzt braucht, um Moskau zum Einlenken zu bewegen.
So viele Tropfen Zuversicht wie diesmal ließen sich schon lange nicht mehr destillieren, wenn Sergej Lawrow oder Antony Blinken sich zur Krise um die Ukraine äußerten. Es ist noch nichts entschieden, nichts beschlossen, nichts abgewendet. Aber immerhin verlängert sich nun die Gesprächskaskade zwischen Russland und dem Westen. Und wenn der russische Außenminister von der Hoffnung spricht, dass sich vielleicht die Gemüter wieder beruhigen, ist zumindest ein kurzes Verschnaufen erlaubt. Ob für eine Invasion nun Hunderte Panzer die Grenze überqueren müssen oder ob es schon reicht, wenn ein russischer Militärjeep an einer ukrainischen Bushaltestelle parkt: Akut muss darauf öffentlich niemand antworten.
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Die Diplomatie wird vorerst fortgesetzt, das dunkle Gewölk lockert sich auf, das ist eine gute Nachricht. Selbst wenn noch immer völlig unklar ist, wie sich die Krise weiterentwickeln wird, so haben gleich mehrere Seiten durch die jüngsten bedrohlichen Wochen schon jetzt einiges gewonnen, verloren allerdings auch.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat sein Land in kurzer Zeit in die erste Reihe katapultiert, nicht in der Wirtschaft, aber was die Aufmerksamkeitsspanne und die Sicherheitspolitik betrifft. Die USA und China waren zuletzt die dominierenden, rivalisierenden Supermächte gewesen, neue Antipoden, die die Agenden der Welt setzten. Aber nun: Selten ist so wenig über China geredet worden, selten so viel über Russland. Ein Erfolg, der sich für Moskau auch daheim auskosten lässt.
US-Präsident Joe Biden vermutet, dass Putin in der Ukraine "vorrücken wird" - aber er baut während einer Pressekonferenz dem russischen Präsidenten auf informelle Art auch Brücken. Kurz nach Bidens Auftritt sieht sich das Weiße Haus zur Klarstellung gezwungen. Von Hubert Wetzel