Die große Hoffnung gegen Krebs: Biontech und Co. entwickeln mRNA-Impfstoff weiter
Frankfurter Rundschau
Biontech, Curevac und auch Moderna forschen an einem mRNA-Impfstoff gegen Krebs. Die etwa 30 Jahre alte Technologie erlangte durch die Corona-Pandemie Bekanntheit.
Mainz/Tübingen/Cambridge – Seit Corona ist das Prinzip der mRNA-Technologie auch außerhalb von Forschungslaboren bekannt: Man entschlüsselt den genetischen Bauplan eines Proteins, produziert Boten-Ribonukleinsäure (mRNA), die diese Erbinformationen trägt, injiziert sie in den Körper und gibt Zellen damit die Anleitung, dieses Protein selbst herzustellen – was wiederum das Immunsystem auf den Plan rufen soll, die fremde Struktur zu bekämpfen. Die Pandemie hat gezeigt, dass diese vor etwa 30 Jahren erstmals an Ratten und Mäusen getestete, vor dem Auftauchen von Sars-CoV-2 aber nie breit angewendete Technologie in der Praxis grundsätzlich funktioniert.
Seit vielen Jahren arbeiten Wissenschaftler:innen daran, mRNA auch gegen Krebs einzusetzen; Unternehmen wie Biontech (Mainz) und Curevac (Tübingen) haben schon lange vor Corona große Anstrengungen darauf verwandt. Die Idee ist es, den Körper auf diesem Weg Tumorproteine produzieren zu lassen, um das Immunsystem zu animieren, Zellen mit eben diesen Merkmalen anzugreifen. Trotz jahrzehntelanger Forschung hat es bislang allerdings kein mRNA-„Krebsimpfstoff“ zur Zulassung geschafft, obwohl das zuweilen nur eine Frage der Zeit schien. So schrieb bereits im Februar 2009 die „Gesundheitsindustrie Baden-Württemberg“ auf ihrer Internetseite von einem neuen, „weltweit einzigartigen Krebsimpfstoff“ (auf mRNA-Basis), mit dem die Firma Curevac den „therapeutischen Durchbruch“ schaffen wolle. Nun nähren die weltweiten Erfahrungen mit den Covid-Vakzinen erneut die Hoffnung auf eine baldige „Spritze gegen Krebs“, wie es hier und da bereits zu lesen war.
Aktuell laufen mehrere Studien zu mRNA-Impfstoffen gegen verschiedene Krebsarten; darüber hinaus werden Vakzine auf dieser Basis auch gegen Autoimmunkrankheiten getestet. Die Firma Biontech etwa hat im Frühsommer 2021 eine klinische Phase-II-Studie mit 120 Teilnehmenden zu ihrem Krebsvakzin BNT111 gestartet. Es wird bei fortgeschrittenem, inoperablem Melanom (Schwarzer Hautkrebs) als alleinige Therapie sowie in Kombination mit einem anderen Tumormedikament erprobt. Bei diesem handelt es sich um Cemiplimab, ein Mittel aus der Gruppe der Checkpoint-Hemmer – eine bereits etablierte Immuntherapie gegen Krebs, deren Entdecker 2018 mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet wurden. Insbesondere bei Schwarzem Hautkrebs bringen Checkpoint-Hemmer oft beachtliche Ergebnisse bis hin zur Heilung früher todgeweihter Patient:innen.
Neben seinem potenziellen Melanom-Vakzin hat Biontech noch vier weitere Krebsimpfstoffe in der Entwicklung. Das Mainzer Unternehmen scheint am künftigen Erfolg dieser Therapeutika nicht zu zweifeln: Anfang Dezember 2021 feierte man Richtfest für eine eigene Anlage zur Produktion von mRNA-Krebsimpfstoffen, im nächsten Jahr soll sie in Betrieb gehen. Auch das US-Unternehmen Moderna, von dem das zweite in der EU zugelassene Covid-Vakzin auf mRNA-Basis stammt, testet derzeit verschiedene Krebsimpfstoffe, unter anderem gegen Lymphome (Tumore des lymphatischen Systems), Urothelkarzinome (Tumore des Übergangsgewebes der ableitenden Harnwege) sowie gegen Eierstockkrebs und ebenfalls gegen Schwarzen Hautkrebs.
Auch wenn das Grundprinzip das gleiche ist wie bei den Covid-Impfstoffen, so gibt es doch erhebliche Unterschiede, die eine Anwendung bei Krebs weitaus komplexer und diffiziler machen. Das fängt schon allein damit an, dass es sich nicht wie im Falle der Viruserkrankung um eine präventive, sondern um eine therapeutische Impfung handelt. Vor allem aber sind die richtigen Antigene – die Zielstrukturen, gegen die sich das Immunsystem wenden soll – schwieriger zu finden. Bei der mRNA-Impfung gegen Covid war das Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus als geeignetes Antigen schnell entdeckt. Bei Krebs sieht das anders aus: Man kennt kein einheitliches Eiweiß, das auf allen Tumoren sitzt und gegen das man alle Erkrankten impfen könnte.