Die erfolgreiche Familiendynastie Zverev
Frankfurter Rundschau
Alexander Zverev beschließt mit dem Sieg bei der ATP-WM sein bisher bestes Tennisjahr - Mutter Irinia, Vater Alexander und Bruder Mischa haben einen erheblichen Anteil.
Irina Zverev kann sich noch gut an die kleinen Schummeleien erinnern. An die Tricks, mit denen sie ihren jüngeren Sohn Alexander einst bei Laune hielt. Wenn sie zusammen „Mensch ärgere Dich nicht“ spielten oder auch auf dem Tennisplatz standen, musste die Mama irgendwann zurückstecken. „Ich ließ Sascha dann einfach gewinnen, um die Stimmung zu retten“, sagt die Mutter, „er wollte am liebsten niemals verlieren.“ Und daran habe sich bis heute auch nur wenig verändert: „Er will siegen. Das steckt bei ihm im Blut.“
Mutter Zverev ist die keineswegs klammheimliche Dirigentin dieser erstaunlichen Familiendynastie, die bei den Olympischen Spielen in Tokio und nun auch bei der ATP-WM in Turin wahre Sternstunden erlebte. Abends am 1. August 2021, genau um 18.37 Uhr, war Alexander Zverev als Goldmedaillengewinner auf dem Centre Court zu Boden gesunken – es war einer der größten deutschen Olympia-Momente und zugleich die Krönung für das Aufbauwerk des emsigen Tennisclans, der Anfang der 90er Jahre aus Russland nach Deutschland übersiedelt war. Mit dem WM-Titel in Turin vollendete sich jetzt Ende November das bisher stärkste, eindrucksvollste Tourjahr für den Jüngsten der Familie. „Für uns alle sind das unfassbare, bewegende Tage“, sagt Mischa Zverev (34), der ältere Bruder von Alexander.
Sein eigenes professionelles Tennisleben klingt gerade auf Schauplätzen eher der Zweiten oder Dritten Liga aus, während die Karriere von Alexander durch den Goldcoup und den WM-Erfolg eine nächste rasante Beschleunigung erfahren könnte. „Sascha ist jetzt so richtig durchgestartet“, sagt Boris Becker, der deutsche Tennis-Kanzler, „diese großen Siege sorgen immer für eine gewisse Beruhigung. Er ist so einem Ding wie Olympia lange hinterher gelaufen.“ Jetzt werde Zverev, so Becker, „auch Platz eins in der Rangliste attackieren“ und mit noch mehr Selbstbewusstsein Grand-Slam-Titel „angreifen“.