Deutsche beim Klimaschutz eher zögerlich
DW
Für viele Deutsche ist der Schutz des Klimas im Moment nicht so wichtig. In Berlin scheitert ein Volksentscheid für eine raschere Klimaneutralität. Warum ist das so?
Es war eine herbe Niederlage, die die deutsche Klimaschutzbewegung da am vergangenen Sonntag einstecken musste: Mir erheblichem, auch öffentlich wirksamem Aufwand hatte sie in Berlin eine Volksabstimmung darüber organisiert, ob die Hauptstadt schon 2030 und nicht, wie bislang geplant, 2045 klimaneutral werden soll. Etwas über 600.000 Stimmen hätten die Initiatoren, das Bündnis "Klimaneustart", zusammenbringen müssen, damit die frühere Klimaneutralität hätte Gesetz werden können in der Stadt.
Doch am Ende waren es gerade einmal 442.000 Berliner, die die Idee gut fanden. Schlimmer noch für die Aktivisten: Fast genauso viele Menschen, etwa 423.000, stimmten mit Nein. Dabei hatten auch die Organisatoren selbst erwartet, dass diese Skeptiker eher gar nicht abstimmen würden, als sich die Mühe zu machen, ins Wahllokal zu gehen. Klimaneutralität bedeutet, dass keine klimaschädlichen Gase ausgestoßen werden, die über jene hinausgehen, die durch die Natur aufgenommen werden. Die Emissionen etwa von Autos mit Verbrenner-Motoren, Heizungen und Flugzeugen müssten deshalb um rund 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschland als Ganzes hat das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, die Europäische Union bis 2050.
Entsprechend groß war nach der Niederlage bei der Volksabstimmung der Frust bei den Klimaaktivisten. Die bekannteste Sprecherin der Klimaschutzbewegung „fridaysforfuture", Luisa Neubauer, sagte: "Wir lassen uns nicht aufhalten von den Kritikern und Nörglern."
Was ist los mit den Deutschen? Noch in fast jeder Umfrage betonen die Menschen die Wichtigkeit des Klimaschutzes. Aber wenn die Forderung mit konkreten Schritten unterfüttert wird, zögern die Menschen. Und sie trauen den Versprechungen der Politik immer weniger, dass der Klimaschutz wirklich ernst genommen wird. Nur zehn Prozent der Befragten einer aktuellen Umfrage des renommierten Forsa-Instituts glauben, dass der Energiebedarf des Landes vollständig von erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Erstaunlich dabei: Weit weniger Menschen glauben an die Energiewende als noch vor zwölf Jahren. Da hatte die gleiche Frage ergeben, dass rund 39 Prozent der Befragten meinten, dass Deutschland sich sehr wohl allein mit erneuerbaren Energien versorgen könne.
Für den Klimaforscher Mojib Latif, Seniorprofessor der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und seit Januar 2022 Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, ist das alles kein Wunder. Er sagt im Gespräch mit der DW: "Der Klimaschutz ist für die Menschen im Moment nicht mehr prioritär. Die Menschen sind erschöpft von der Pandemie, den Kriegsmeldungen aus der Ukraine und den steigenden Energiepreisen."