
Der tiefste Tiefpunkt
Frankfurter Rundschau
Vor einem Jahr boykottieren Mainzer Fußballprofis das Training - der Verein zieht die richtigen Lehren und profitiert noch heute davon.
Ein Jahr danach scheint die Sonne über Mainz. Der Trainingsplatz ist gut gewässert. Die Stimmung ist prächtig: das letzte öffentliche Training des Fünften der Fußball-Bundesliga vor dem Spitzenspiel beim Vierten Bayer Leverkusen am Samstag. Hand gezählte neun Fans, zumeist älteren Jahrgangs, ein Fotograf und ein schreibender Reporter sind vor Ort. Nach einer Stunde ist das Übungsprogramm schon vorbei. Cheftrainer Bo Svensson hat es aus einer gewissen Distanz verfolgt und seine Assistenten machen lassen. Der Däne hat alles im Griff bei Mainz 05.
Vor genau einem Jahr am atmosphärisch tiefsten Tiefpunkt der bewegten Klubgeschichte hatte niemand nichts im Griff: Am Nachmittag des 23. September 2020 verweigern die Profis nach heftigen Debatten in der Kabine den Gang auf den Trainingsplatz. Trainer Achim Beierlorzer hat damit endgültig seine seit Monaten schwindende Autorität verloren. Nach einem 1:4 gegen den VfB Stuttgart wird er vier Tage später entlassen. Auch Sportvorstand Rouven Schröder wird den 23. September 2020 nicht langfristig überstehen. Zu viel ist kaputtgegangen.
Die Profis erklären ihren Streik erst einen Monat später in einem offenen Brief, verweisen auf unzureichende Kommunikation beim Thema Gehaltsverzicht in der Coronakrise und die vorher durch Beierlorzer und Schröder ausgesprochene Freistellung von Adam Szalai. Der Stürmer hatte sich mehrfach mit Beierlorzer angelegt. Der inzwischen als Co-Trainer bei RB Leipzig arbeitende Mainzer Ex-Chefcoach wird später sagen, er sei „sehr überrascht“ über seine Demission gewesen. Diese Wahrnehmung hat Beierlorzer exklusiv.













