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Der Proporzorden

Der Proporzorden

Süddeutsche Zeitung
Sunday, February 06, 2022 06:04:25 PM UTC

Auch Abgeordnete bekommen das Bundesverdienstkreuz? Womit sie das verdienen? Das ist nicht immer klar. Sicher ist aber, dass es bei der Auswahl auch auf die Stärke ihrer Fraktionen ankommt.

Eigentlich ist beim Bundesverdienstkreuz jedes Detail geregelt. Für den Orden gibt es einen Erlass des Bundespräsidenten, ein eigenes Statut sowie Ausführungsbestimmungen. Darin findet sich nicht nur alles Erdenkliche zu den verschiedenen Formen des Ordens - und wie man sie zu tragen hat. Das Verdienstkreuz 1. Klasse muss zum Beispiel "an der linken Brustseite angesteckt", das Großkreuz dagegen "an einem breiten, von der rechten Schulter zur linken Hüfte führenden Bande getragen" werden. Es gibt auch seitenlange Vorschriften zur Auswahl der Preisträger.

Deshalb ist es erstaunlich, dass eine durchaus relevante Praxis in all diesen Vorschriften nicht auftaucht: In jeder Legislaturperiode dürfen die Bundestagsfraktionen entsprechend ihrem Stärkeverhältnis Abgeordnete für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Die Fraktionen übermitteln ihre Wünsche an die Bundestagspräsidentin, die sie an den Bundespräsidenten weiterreicht, der dann für die Auszeichnungen zuständig ist.

Deutschland wollte dem Holocaust-Forscher Gideon Greif das Bundesverdienstkreuz verleihen. Doch nun gibt es Streit um dessen Forschungen in Bosnien - und die deutsche Diplomatie steckt in einer schwierigen Lage.   Von Peter Münch

Auch viele Abgeordnete kennen dieses Verfahren nicht. Es sei aber tatsächlich "bestehende Praxis", teilt das Bundespräsidialamt auf Nachfrage mit. Insgesamt sei "die Zahl der Bundestagsabgeordneten, die ausgezeichnet werden können, auf maximal fünf Prozent pro Wahlperiode beschränkt" - bei inzwischen 736 Abgeordneten liegt die Obergrenze also bei 36 neuen Ordensträgern, fein austariert auf die Fraktionen.

Ist das Bundesverdienstkreuz also auch ein Bundesproporzkreuz? Und warum sollen Abgeordnete überhaupt auf diese Weise ausgezeichnet werden? Sie erhalten für ihre Tätigkeit jeden Monat mehr als 10 000 Euro. Sie bekommen Büros gestellt und Mitarbeiter bezahlt. Und sie erwerben Pensionsansprüche in einer Geschwindigkeit, von der normale Beschäftigte nur träumen können. Ihr Einsatz für das Gemeinwohl ist also - anders als bei den Millionen Ehrenamtlichen - bereits ordentlich entgolten.

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