Der heilige Berg der Provence
Frankfurter Rundschau
Der „Kahle Riese“ Mont Ventoux wird auf der elften Tour-Etappe gleich zwei Mal überquert. Um ihn ranken sich wilde Mythen und ein Schlagabtausch zwischen Armstrong und Pantani.
Es waren nur noch zwei Kilometer bis zum Gipfel des Mont Ventoux, als Tom Simpson plötzlich Zickzack fuhr. Sein Gesicht war kreidebleich, sein Blick leer – der Ex-Weltmeister hatte den Tod vor Augen. Jeder Pedaltritt am Ende dieser Tour-Etappe am 13. Juli 1967 fiel ihm unendlich schwer, der entkräftete Körper krümmte sich auf dem Rad. Schließlich fiel Simpson zu Boden. Bewegungslos lag er im Geröll des Ventoux. Als der Tour-Arzt kam, sagte er noch: „Put me on my bike.“ Hebt mich auf mein Rad. Kurze Zeit später war Tom Simpson tot. Sein Kreislauf war zusammengebrochen, das Herz zum Stillstand gekommen. Die Ursache fand sich in seiner Trikottasche: Ein Fläschchen mit Amphetaminen. Seit 1968 steht ein Gedenkstein an der Stelle, wo Simpson starb. Seine Töchter ließen eine kleine Tafel anbringen. Die Aufschrift: „There is no mountain too high.“ Kein Berg ist zu hoch. Es gibt viele aufregende Geschichten und Legendenstoff um den Mont Ventoux; das tragische Ende von Tom Simpson hat den 1909 Meter hohen Berg, der monolithisch in der Provence steht, aber zum Mythos gemacht. Man könnte auch sagen: zu einem Schicksalsberg der Tour de France. Für deren 108. Auflage haben sich die Veranstalter eine ganz besondere Würdigung dieser Tour-Ikone ausgedacht: Das Fahrerfeld muss auf der heutigen elften Etappe gleich zweimal hoch auf den Ventoux, und zwar von beiden Seiten. Ein Spektakel, das mancher Pedaleur sicher auch als Schikane empfinden dürfte. Tour-Routinier Tony Martin (36), vierfacher Zeitfahr-Weltmeister, hat schon einige Ventoux-Erfahrungen gesammelt, 2009 ist er auf „Kahlen Riesen“, wie der Berg auch genannt wird, knapp geschlagener Zweiter geworden. „Der Ventoux hat eine besondere Atmosphäre. Ich liege am Abend zuvor mit Sicherheit nicht voller Vorfreude im Bett, denn letztlich ist es eine Quälerei“, erzählt er.More Related News