Der Albtraum des Jesse Marsch
Frankfurter Rundschau
Der US-amerikanische Trainer von RB Leipzig steht vor der Brügge-Partie am Scheideweg.
Es war noch Sommer im österreichischen Saalfelden, als Jesse Marsch die letzte Trainingseinheit abpfiff. Der neue Trainer von RB Leipzig rief damals seine Spieler, Betreuer und Helfer zusammen, um dann in Deutsch im großen Kreis auszurufen: „Es waren wirklich gute Tage, aber es war erst der Anfang.“ Seitdem ist viel passiert. Die Alpenrepublik verharrt wieder in einem damals nicht mehr vorstellbaren Lockdown. Und der US-Amerikaner könnte mit seiner Mission schneller ans Ende gelangen als vor fünf Monaten alle dachten: Für nicht wenige gilt das vorletzte Champions-League-Gruppenspiel beim FC Brügge (Mittwoch 21 Uhr/Dazn) als Wegweiser, ob die Marsch-Mission langfristig weitergeht. Die in der Königsklasse entweder überfordert wirkenden oder unglücklich agierenden Sachsen müssen gewinnen, um wenigstens in der Europa League zu überwintern. Marsch muss in Belgien alles auf eine Karte setzen, denn letztlich geht es auch um seinen Job.
Dafür hat der Trainer seine Kommunikation angepasst. Angeblich auf Wunsch der Spieler hält 48-Jährige seine Ansprachen wieder vermehrt auf Englisch. Zwar hatte er sich seinen noch beim Schwesterklub FC Red Bull Salzburg im Oktober 2019 in der berühmten Halbzeitansprache im Champions-League-Spiel beim FC Liverpool praktizierten deutsch-englischen Kauderwelsch („Das ist nicht ein fucking Freundschaftsspiel“) längst abgewöhnt, aber klar kamen seine Botschaften nicht immer an.
In seiner Muttersprache kann Marsch das Ensemble – oft mit nur einem deutschen Spieler in der Startelf bestückt – offenbar deutlich besser packen. „Gerade in der Motivation kommt es noch authentischer und geiler rüber“, beteuerte gerade Willi Orban. Immer wenn Spieler ihren Trainer derart stützen, ist das oft ein untrügliches Zeichen dafür, dass es im Zusammenspiel in Wahrheit nicht wirklich rund läuft. Zuletzt hat eine ernüchternde Vorstellung bei der TSG Hoffenheim (0:2) neue Zweifel genährt. „Nicht akzeptabel“ nannte der Coach die blutleere Darbietung seiner Akteure, denen mal wieder jemand den Stecker gezogen hatte. Eine katastrophale Zweikampfquote wies auf Einstellungsprobleme hin, schlecht besetzte Räume aber auch auf Taktikdefizite. Versteht das Team nicht, was der Trainer will? Oder passt der Plan fürs Personal nicht?