
Das Publikum rettet die fast verlorene ESC-Ehre
n-tv
Beim ESC-Vorentscheid werden Lord Of The Lost zum Gebieter über den Triumph. Mit Fug und Recht und Ansage. Um ihnen tatsächlich zum Erfolg zu verhelfen, braucht es jedoch geradezu ein Aufbegehren des Publikums. Beinahe hätte man sich die Show nur noch mit Schilfgras schön rauchen können.
Als Sänger Chris Harms vor knapp 15 Jahren seine Gothic-Metal-Formation Lord Of The Lost ins Leben ruft, hat er nicht den Hauch einer Ahnung, in welch schillerndem Licht der Bandname später einmal erscheinen würde. Schließlich hat er damals mit Sicherheit noch keinen Plan davon, dass er sich mit der Gruppe tatsächlich mal für den Eurovision Song Contest (ESC) bewerben und - von wegen "lost" - den zugehörigen Vorentscheid dann auch noch gewinnen würde. Den "Lord" im Namen trennt derweil von "Lordi", den hardrockenden ESC-Siegern des Jahres 2006, gerade mal ein Buchstabe. Wenn das mal kein Omen ist?!
Der ESC hat bekanntlich seine eigenen Gesetze. Dennoch konnte man beim diesjährigen Vorentscheid gefahrlos eine Prophezeiung wagen: dass Lord Of The Lost zum allerengsten Kreis der Publikumsfavoriten zählen würden. Und das nicht nur, weil Deutschland nun mal ein Land mit starker Affinität zu harter musikalischer Kost ist und viele längst schon mal am liebsten Rammstein für den ESC zwangsverpflichtet hätten.
Nein, das liegt auch an dem perfekt produzierten Song "Blood & Glitter", der mit eingängiger Hook und sanften Piano-Parts dafür sorgt, dass sogar Florian Silbereisen bei den vereinzelten Metal-Growls von Harms nicht von Barbara Schönebergers Show-Sofa fliegt. Es liegt an dem professionellen Auftritt, den die Band dank jahrelanger Bühnenerfahrung dem Großteil der Konkurrenz im Vorentscheid einfach voraushat. Und es liegt an der androgynen Attitüde von Harms, die der zwar nicht erst seit gestern an den Tag legt, die aber zum ESC-Zeitgeist einfach wie die Faust aufs Auge passt.
