Das Klima baut mit
Süddeutsche Zeitung
Schon der Bau von Wohnungen belastet die Umwelt enorm - vor allem dann, wenn Zement zum Einsatz kommt. Aber es gäbe Alternativen.
Das Quartier der Zukunft steht bisher nur in Computeranimationen. Die Sonne scheint, Menschen flanieren entspannt durch autofreie Straßen, die Bäume sind grün, und die Häuser - die sind aus Holz. In diesem Jahr starten die ersten Vorbereitungen, von 2027 an sollen peu à peu erste Wohnungen bezugsfertig sein: das Schumacher-Quartier, errichtet auf dem Gelände des einstigen Berliner Flughafens Tegel. 5000 Wohneinheiten. Das größte Holzbauquartier Europas, wenn nicht der Welt. "Was da entstehen kann", sagt Raoul Bunschoten, "ist eine neue Ästhetik von Städten." Und obendrein eine, die mehr Treibhausgase speichert, als sie beim Bau verursacht.
Bunschoten, Professor für nachhaltige Stadtplanung und Städtebau an der Technischen Universität Berlin, arbeitet gerade an einer Art Holzbaukasten für das neue Viertel. Teile, aus denen sich einfach Gebäude zusammenfügen lassen, und das nach Möglichkeit aus den Wäldern der Umgebung. Beschaffung, Fertigung, die ganze Logistik - eine komplexe Sache sei das. "Aber wenn es uns gelingt, dann machen wir Städte zu riesigen Kohlenstoffspeichern", sagt Bunschoten. Umgekehrt solle sich das Land gut überlegen, ob es 400 000 neue Wohnungen wirklich auf herkömmlichem Wege bauen wolle. "Wir sollten nicht vor allem mit Beton bauen", sagt der Architekt.
Genau das aber ist bisher die Regel. Vor gut einem Jahr errechnete das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, welchen ökologischen Fußabdruck ein Gebäude im Laufe der Jahre hinterlässt. Die Zahlen waren gigantisch. So ging im Jahr 2014 ein Drittel der deutschen Treibhausgasemissionen auf das Konto von Gebäuden. Den Löwenanteil machte zwar der Betrieb der Gebäude aus, also etwa der Energiebedarf fürs Heizen und warmes Wasser. Doch ein Viertel entfiel auf die Bauphase.
Besonders ins Gewicht fällt buchstäblich der Zement. Wenn eine Tonne davon hergestellt wird, fallen 600 Kilogramm Kohlendioxid an. Mit erneuerbaren Energien und noch so viel Effizienz lässt sich hier nur bedingt etwas machen - denn der größte Teil fällt bei der Entsäuerung des Kalksteins an, einem chemischen Prozess. Hersteller wie Heidelberg Cement liebäugeln deshalb mit der Abscheidung und unterirdischen Speicherung von CO₂. Die Mengen sind beachtlich: Weltweit gehen acht Prozent aller Emissionen auf die Zementherstellung zurück.
Der Baustoff ist in der Schweiz eine Erfolgsgeschichte. Eine Schau in Basel würdigt ihn - aber klammert seine desaströse Klimabilanz fast aus. Von Kito Nedo