"Das ist Voodoo"
Süddeutsche Zeitung
Novak Djokovic ist an einer Biotech-Firma beteiligt, die an einer Therapie gegen das Coronavirus arbeitet. Doch Experten sind ziemlich skeptisch.
Es ist nicht so, als gebe es keine positiven Nachrichten über die Australian Open. Billie Jean King lobte den Tennisprofi Liam Broady, der in der ersten Runde verlor, dafür, dass er Schnürsenkel in Regenbogenfarbe trug. Der 28-jährige Brite wollte sich mit der LGBTQ-Szene solidarisch zeigen. Die Australierin Samantha Stosur stand mit 37 Jahren letztmals auf der Bühne, nach fast unglaublichen 23 Jahren beendet sie ihre Karriere. Im Anschluss an ihre 2:6, 2:6-Niederlage gegen die Russin Anastasia Pawljutschenkowa erhielt sie Blumen, die Zuschauer standen minutenlang und applaudierten.
Solche Nettigkeiten gehen zurzeit oft unter, denn nahezu täglich tauchen weiterhin neue Aspekte und Fragen zu jenen zwei schweren Themen auf, die diese sonderbaren Australian Open 2022 bislang überlagern: die Pandemie sowie der Fall Novak Djokovic, der nach der Abschiebung des Weltranglisten-Ersten nachwirkt.
Alexander Zverev zieht mühelos in die dritte Runde ein. Sein Ziel, erstmals einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, verfolgt der Deutsche konsequent - um sich nicht das Coronavirus einzufangen, pendelt er nur zwischen Hotel und Anlage. Sein Bruder Mischa wurde kürzlich positiv getestet. Von Gerald Kleffmann
Am Mittwochabend in Melbourne gab Alexander Zverev eine bemerkenswerte Pressekonferenz nach seinem Zweitrundensieg, nicht nur, weil er so gut gelaunt war, sondern weil er auch auf kuriose Sicherheitsmaßnahmen beim Turnier bezüglich des tückischen Coronavirus verwies. Die sind offenbar nicht so sicher wie gedacht. "Wir werden nicht getestet", hat Zverev offenbart und gemutmaßt: "Wenn wir getestet würden, gäbe es wahrscheinlich mehr Positive als jetzt." Er gehe davon aus, dass "bestimmt einige" Spieler schon infiziert seien. Wie schnell das Virus von einer Person zur anderen übertragen wird, hatte Zverev bei seinem Bruder mitbekommen. Mischa, 34, auch sein Manager, war beim ATP Cup kürzlich in Sydney positiv getestet worden.
Bei den Australian Open, diese Politik verfolgen sie wirklich inmitten einer Pandemie, obliegt das Testen den Profis selbst. Manche testen sich jeden Tag wie Stosur, andere jeden zweiten Tag wie die Spanierin Garbiñe Muguruza, die nun der Französin Alizé Cornet unterlag. In der Qualifikation hatte der Australier Bernard Tomic für Aussehen gesorgt, als er beim Seitenwechsel krakeelt hatte, es müsse getestet werden, er fühle sich schlecht. Drei Tage später hatte er den Beleg: positiv. Auch den Franzosen Ugo Humbert erwischte es mittlerweile. Die Stimmung ist so angespannt, dass sofort Gerüchte zum mutmaßlich nächsten Positivbefund im Umlauf waren, als bekannt wurde, der Franzose Arthur Rinderknech steige aus dem Turnier aus. Er war nur an der Hand verletzt.