Darf ich vor Arbeitsbeginn kündigen?
Süddeutsche Zeitung
Ein Vertrag soll so früh wie möglich unterschrieben werden, ein anderes Jobangebot könnte bald kommen. Kann der Bewerber die erste Stelle annehmen und eventuell später wieder kündigen?
SZ-Leser Alexander W. fragt:
Ich bin auf Jobsuche und habe bereits ein Angebot bekommen. Den Arbeitsvertrag soll ich innerhalb der nächsten drei Tage unterzeichnen, Dienstantritt wäre der 1. Mai. Ich habe mich aber auch noch anderswo beworben und hatte dort schon ein ziemlich gutes Vorstellungsgespräch. Eine Zusage bekomme ich allerdings frühestens nächste Woche - bis dahin müsste ich den anderen Arbeitsvertrag unterschrieben haben. Soll ich sicherheitshalber den ersten Job annehmen und später wieder kündigen?
Ina Reinsch antwortet:
Lieber Herr W., so wie Ihnen geht es vielen Menschen auf Arbeitsuche. Plötzlich hat man mehrere Jobs in Aussicht und fühlt sich in der Zwickmühle. Den Favoriten hat man noch nicht ganz sicher, einen anderen Job soll man aber bereits zu- oder absagen. Also lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach wählen? Bevor Sie den ersten Arbeitsvertrag unterschreiben, sollten Sie einen genauen Blick in die Vertragsbedingungen werfen und prüfen, unter welchen Voraussetzungen Sie den Vertrag bereits vor Arbeitsaufnahme kündigen könnten.
In manchen Verträgen ist eine ordentliche Kündigung - also eine Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist - vor Dienstbeginn ausgeschlossen oder die Kündigungsfrist beginnt erst ab dem Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme zu laufen. In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer erst einmal zur Arbeit antreten. Vor allem Arbeitgeber, die schon häufiger erlebt haben, dass künftige Mitarbeiter in ihren Entscheidungen wankelmütig sind, greifen zu dieser Klausel. Denn springt der künftige Mitarbeiter vor Arbeitsaufnahme ab, muss das Unternehmen den Bewerbungsprozess meist von Neuem starten. Das ist mit Zeit und Kosten verbunden. Aus demselben Grund fordern manche Unternehmen im Arbeitsvertrag bei einer Kündigung vor Arbeitsaufnahme auch eine Vertragsstrafe, die allerdings angemessen sein muss - eine Frage des Einzelfalls. In der Regel kann ein halbes Bruttomonatsgehalt bei einer zweiwöchigen Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit als angemessen angesehen werden.