Dagegen ist die Chinesische Mauer ein Gartenzaun
Süddeutsche Zeitung
Nasopharyngeal-Test, Zollgesundheitserklärung - und gleich vor dem Hotel das Absperrgitter: Wie schwer ist es, in die Olympische Blase von Peking zu gelangen? Unsere Reporterin hat es versucht - und geschafft.
Als die Spiele an Peking vergeben wurden, saß Xi Jingping vor der Großen Mauer. "Austausch und Völkerverständnis" versprach der Staats- und Parteichef damals, im Jahre 2015, dem olympischen Kongress, ein Gemälde des historischen Schutzwalls in seinem Rücken. Ein passenderes Symbol für die nun beginnende Wintersportmesse in China ließe sich kaum finden: Denn im Vergleich zu dem Bollwerk, das Xi Jingping nun in Seuchenzeiten um seine Hauptstadt errichtet, wirkt der tausend Kilometer lange Mörtelbau der Ming-Zeit wie eine Art Gartenzaun.
Peking ist seit zwei Jahren abgeriegelt. Wer Einlass finden will in das Land, das das Virus in die Welt setzte und nun eine Null-Covid-Politik betreibt, muss einen Befestigungsring nach dem anderen überwinden. Dazu braucht es Ausdauer, Geduld und diverses technisches Rüstzeug. Hürde Nummer eins, noch relativ niederschwellig, ist eine Handy-App, zu erschließen über die Olympiaakkreditierung. Sowie ein Fieberthermometer.
Eine Kellnerin im Schutzanzug reinigt einen Tisch: Peking bereitet sich auf die Winterspiele vor.
Spätestens zwei Wochen vor dem geplanten Abflug per Sondermaschine ist täglich die Körpertemperatur einzutippen. Dazu Angaben über den Gesundheitszustand: Husten? Kopfschmerz? Durchfall? Ermattungsgefühle? Die Corona-Impfhistorie wird ebenfalls vermerkt in dieser chinesischen "My2022"-Software, die Datenschützer für so löchrig halten wie ein Teesieb. Der Reisende, der es nach Peking schafft, ob als Athlet, Trainer, Funktionär oder Berichterstatter, erscheint bei Chinas Staats- und Parteispielen heutzutage als gläserner Patient. Wer schon vorher an den Anforderungen scheitert, übrigens ebenso: Was an die App gefüttert wird, bleibt eingespeist ins System.
Die nächste Hürde ist an das Wörtchen "nasopharyngeal" gekoppelt. Zwei PCR-Reisetest, getaktet im Abstand von mindestens 96 und 72 Stunden, sind erforderlich, zweisprachig, mit strikt vorgeschriebener Nasen-Rachen-Abstrichmethode, per Formular beglaubigt. Dies wäre allerdings nur die einfache Variante für Geimpfte. Falls die Krankengeschichte eine überstandene Corona-Infektion offenbart, verkompliziert eine Blutabnahme das Prozedere, nachzulesen mit mehreren Fallbeispielen im sogenannten "Playbook" für die Winterspiele und in den Merkblättern für die beiden Covid-Beauftragten jeder teilnehmenden Organisation (dass per Dekret auch Alleinreisende zwei Corona-Hilfssheriffs benennen müssen, gehört zu den undurchschaubaren Weisheiten der fernöstlichen Bürokratie).