Dänischer Geheimdienstchef in U-Haft – „Das Ganze ist komplett verrückt“
Frankfurter Rundschau
Der Chef des Militärgeheimdienstes in Dänemark soll Informationen durchgestochen haben. Nun wird Lars Findsen der Prozess gemacht.
Kopenhagen – Der Skandal um illegale dänische Abhörpraktiken im Dienst des US-Geheimdienstes NSA hat eine neue Dimension erreicht. Seit Mitte Dezember sitzt der Chef von Dänemarks militärischem Geheimdienst FE, Lars Findsen, wegen Verdachts auf Landesverrat hinter Gittern. Bei der Verlängerung der Untersuchungshaft in Kopenhagen wurde jetzt auf Wunsch des 57-Jährigen das Verbot der Namensnennung aufgehoben. Findsen scheiterte mit seinem Antrag, auch die Vorwürfe selbst für die Öffentlichkeit freizugeben. Beim Verlassen des Gerichtssaals rief er Journalistinnen und Journalisten zu: „Das Ganze ist komplett verrückt. Damit könnt ihr mich zitieren.“
Findsen wurde im August 2020 als FE-Chef suspendiert. Ein Whistleblower hatte enthüllt, dass der Geheimdienst illegal Datenverkehr aus unterseeischen dänischen Kabeln überwacht und an die NSA weitergegeben hatte. Dazu gehörten auch Telefonate deutscher Politiker:innen einschließlich der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel.
Den gegen einen formell weiter amtierenden Geheimdienstchef ungeheuerlichen Vorwurf des Landesverrats haben Findsen aber nicht die Abhörpraktiken eingetragen, sondern dass er darüber möglicherweise mit Presseleuten gesprochen hat.
In Medienberichten hieß es, dass Findsen offenbar monatelang vom zivilen Geheimdienst PET beschattet und abgehört worden sei, den er selbst von 2002 bis 2007 geführt hatte. Der damalige operative PET-Chef Hans Jørgen Bonnichsen vermutete in der Zeitung „Politiken“, dass die Initiative zur Verfolgung des FE-Chefs direkt aus dem nationalen Sicherheitsrat mit Ministerpräsidentin Mette Frederiksen an der Spitze gekommen sei.
Als Hintergrund nannte er „Unkenntnis über Arbeitsmethoden von Geheimdiensten“, zu denen auch Hintergrundgespräche mit Journalisten gehörten. Das Motiv Frederiksens seien Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise Findsens sowie Machtstreben nach kompletter Kontrolle über den Kontakt zwischen Spitzenbeamt:innen und Medien: „Deshalb schießt das System mit Kanonen auf Spatzen.“