
China: Zhang Zhans Brief aus dem Gefängnis
DW
Die Familien politischer Häftlinge in China erfahren nur wenig darüber, wie es ihren inhaftierten Verwandten geht. Auch die Familie der Bürgerreporterin Zhang Zhan muss sich mit spärlichen Kontakten zufriedengeben.
Es ist ein seltenes Ereignis: In einem Brief an ihre Familie gibt die chinesische Bürgerreporterin Zhang Zhan einige wenige Einblicke in ihr Leben im Gefängnis. Sie verbüßt seit mehr als zwei Jahren eine vierjährige Strafe, weil sie "Streit geschürt und Ärger provoziert" habe. Diese Anschuldigung wird in China häufig gegen Journalisten und Aktivisten erhoben. Zhang hatte 2020 über den Lockdown in der zentralchinesischen Stadt Wuhan berichtet.
In ihren vielfach geteilten Video-Livestreams und Essays beschrieb Zhang die Zustände in überfüllten Krematorien und Krankenhäusern, während die chinesischen Behörden versuchten, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die Aktivistin kritisierte die Maßnahmen der Regierung und bezeichnete die Behörden als fahrlässig.
Laut Amnesty International berichtete die ehemalige Rechtsanwältin aus Shanghai darüber, "wie Regierungsbeamte unabhängige Reporter festnahmen und die Familien von COVID-19-Patienten schikanierten". Die Menschenrechtsorganisation fordert Zhang Zhans umgehende Freilassung.
Zhangs Mutter habe ihre Tochter nicht mehr per Videoanruf sehen können, seitdem sie im September wegen einer Krebserkrankung operiert wurde, sagt der chinesische Menschenrechtsanwalt Li Dawei. Kontakt zu Zhang könne sie nur über Telefonanrufe und Briefe halten. "Sie darf Zhang nur einmal im Monat für fünf bis zehn Minuten anrufen", erzählt Li der DW. "Während des Telefonats spricht vor allem Zhang. Sie fragt, wie es ihrer Mutter geht, aber sie erzählt nicht viel über ihre Haftbedingungen. Während der Telefonate klingt Zhang nach Einschätzung der Mutter optimistischer als zuvor, ihr Zustand könnte sich also verbessert haben."
In einem Brief, den ihr Bruder im vergangenen Monat auf Twitter teilte, fragt Zhang, wie es der Familie gehe, und erzählt, die Polizei habe ihr geraten "stärker zu sein" und "sich nicht zu viele Sorgen zu machen", da sich dies weder auf ihren Fall noch auf ihre Haftbedingungen positiv auswirken würde. Zhang betont, wie sehr sie ihre Mutter vermisse, äußert aber auch die Hoffnung, dass diese etwas loslassen könne, da sie dazu neige, "verletzlich, leicht entmutigt und pessimistisch" zu sein.