Bundesverfassungsgericht stärkt Informationsrechte des Bundestags
DW
Die Bundesregierung muss den Bundestag auch in Fragen der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik umfassend und so früh wie möglich einbinden. Das geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hervor.
Konkret ging es um zwei Vorgänge: den Einsatz gegen Schlepper im Mittelmeer 2015 und die Zusammenarbeit mit der Türkei in Migrationsfragen, ebenfalls 2015. In der sogenannten Flüchtlingskrise habe die damalige Bundesregierung damit zwei Mal Informationsrechte des Bundestags verletzt, stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach Klagen der Fraktionen von Grünen und Linken fest. In beiden Verfahren ging es um die rechtzeitige Unterrichtung des Bundestags in EU-Fragen, und zwar erstmals speziell im Bereich der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Bundesregierung war der Ansicht, dass hierfür besondere Regeln gelten.
Zum einen ging es um einen Konzeptentwurf für die inzwischen ausgelaufene EU-Operation "Sophia" gegen Schleuser im Mittelmeer. Im Mai 2015 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU, die Militärpräsenz im Mittelmeerraum zur Bekämpfung von Schleppern zu erhöhen. Nach dem Beschluss zu "Sophia" konnten nur Mitglieder bestimmter Bundestagsausschüsse das Papier in der sogenannten Geheimschutzstelle lesen. Dem gesamten Bundestag wurden die Pläne nicht zugeleitet.
Der zweite Fall betraf ein Schreiben des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Zusammenarbeit mit der EU in Migrationsfragen. Die Linke hatte das Schreiben angefordert, was aber mit der Begründung abgelehnt wurde, es handele sich um ein persönliches Schreiben an die Kanzlerin. Mit dieser pauschalen Begründung habe der Einblick nicht verwehrt werden dürfen, urteilte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Die Karlsruher Richter entschieden grundsätzlich, die Verpflichtung der Regierung zur Unterrichtung des Bundestags gelte auch für die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie sei nur erfüllt, wenn alle Abgeordneten die Informationen bekämen. Der Bundestag nehme seine Repräsentationsfunktion für die Öffentlichkeit nämlich grundsätzlich als Ganzes wahr und nicht durch einzelne Abgeordnete.
Die Informationen dürften auch keinen Geheimschutzregeln unterliegen. Vor Entscheidungen von erheblicher Tragweite müsse die Öffentlichkeit die Gelegenheit bekommen, sich dazu eine Meinung zu bilden, erklärte das Gericht. Die Volksvertreter sollten die geplanten Maßnahmen öffentlich debattieren.