
Bolivien wählt - verabschiedet es sich vom Sozialismus?
n-tv
Zwei Jahrzehnte Dominanz der sozialistischen MAS werden in Bolivien aller Voraussicht nach der heutigen Präsidentschaftswahl enden. Die Partei der Ikone Evo Morales ist tief zerstritten, die Wirtschaft am Boden, die Umfragewerte sind desaströs. Die Frage ist, ob es nach einem Regierungswechsel friedlich bleibt.
Wenn die Bolivianer an diesem Sonntag an die Wahlurnen treten, herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung die Hoffnung, durch die Wahl einen grundlegenden Wandel herbeizuführen und die fast zwanzigjährige Herrschaft der sozialistischen Partei MAS (Movimiento al Socialismo, auf Deutsch: Bewegung zum Sozialismus) zu beenden.
Erstmals in der Geschichte des seit 2009 bestehenden Plurinationalen Staates Bolivien steht die MAS kurz davor, ihre Macht abgeben zu müssen. Und nicht nur das: Dieselbe Partei, die über zwei Jahrzehnte Politik, Gesellschaft und Wirtschaft des unter ihr neu begründeten Staates dominierte und mit dem langjährigen Präsidenten und Parteiführer Evo Morales das Bild Boliviens in der Welt prägte, steht allem Anschein nach kurz vor dem Untergang. So kann der Präsidentschaftskandidat der MAS, Eduardo Del Castillo, Umfragen zufolge kaum zwei Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Dies würde entsprechend der bolivianischen Wahlgesetzgebung, nach der eine Partei aufgelöst wird, die weniger als drei Prozent der Stimmen gewinnt, nicht nur das Ende der Hegemonie der MAS, sondern gar das Ende der Partei bedeuten.
Für viele Bolivianerinnen und Bolivianer, insbesondere für die junge Generation, die in ihrem bisherigen Leben nur die MAS als Regierungspartei kennengelernt hat, ist dies eine noch immer unvorstellbare Entwicklung. Viele reiben sich ungläubig die Augen angesichts der Umfragen, die gleich mehrere Oppositionskandidaten auf den vordersten Plätzen im Rennen um die Präsidentschaft sehen. Doch weder Samuel Doria Medina, bolivianischer Geschäftsmann, der in den meisten Umfragen leicht führt, noch Jorge "Tuto" Quiroga, Präsident des Landes von 2001 bis 2002, der nur knapp dahinter liegt, werden aller Voraussicht nach im ersten Wahlgang die erforderliche Stimmenmehrheit holen können, was Stichwahlen - auch dies ein historisches Novum im Plurinationalen Staat - wahrscheinlich macht.
