
Bis hierher hat der Schlafwagen gereicht
n-tv
Wahlprogramme werden kaum gelesen, trotzdem werden sie immer wichtiger, denn Wechselwähler orientieren sich an den Forderungen der Parteien. Hier steht die Union vor einer strategischen Herausforderung.
In den letzten Wochen konnte der Eindruck entstehen, dass das Schlimmste, was der Union in diesem Wahlkampf passieren könnte, ein eigenes Wahlprogramm ist. Die grüne Konkurrenz musste einmal mehr spüren: Je detaillierter die Forderungen, desto größer die Angriffsfläche für den Gegner. Dagegen lief es für Armin Laschet ohne Programm plötzlich wie geschmiert. Entgegen der Prognose von Markus Söder, die Union werde "nicht mit dem Schlafwagen" ins Kanzleramt kommen, war für Laschet der Schlafwagen das Beförderungsmittel der Wahl, um an der Konkurrenz vorbeizurollen. Der CDU-Vorsitzende musste nur hin und wieder den Kopf aus dem Wagenfenster stecken und sich ein wenig zum Verteidiger des Mallorca-Urlaubs stilisieren, um danach wieder gelassen wegzudämmern. Das Wahlprogramm der Union liest sich nun wie eine Einladung ins Wohlfühlabteil von Laschet. Die Kernbotschaft: Steigt ein, mit mir geht’s bequem weiter. Naturgemäß kommt Kritik von der politischen Konkurrenz, und Ökonomen mahnen die mangelnde Finanzierbarkeit an. Überzeugen muss ein Wahlprogramm allerdings nicht den Bundesrechnungshof, sondern die Wählerinnen und Wähler. Wobei: Die lesen es doch auch nicht - so zumindest der Einwand zahlreicher Kommentatoren nach der gestrigen Programmvorstellung. Die weitverbreitete These vom allgemeinen Desinteresse an Wahlprogrammen stimmt allerdings nur auf den ersten Blick: Ja, fast niemand liest ein Programm von vorne bis hinten. Aber trotzdem kommen die zentralen Punkte durch die Berichterstattung der Medien und die Wahlkampfkommunikation der Parteien bei den Menschen an. Entscheidend sind also nicht die 140 Seiten Parteiprosa, sondern die 40 Zeichen in den Schlagzeilen und die Erzählung, die der Kandidat im Wahlkampf aus der Programmatik strickt.More Related News
