Besser als keine Freunde
Süddeutsche Zeitung
Über ein Jahrzehnt waren die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate verfeindet. Nun ist Erdoğan zu Besuch in Abu Dhabi. Beide Länder brauchen dringend neue Allianzen.
Das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, sei wie ein nationales schwarzes Brett, sagt der Golfexperte Mar Owen Jones. Es zeigt den Leuten, wen sie mögen dürfen. Am Sonntagabend leuchtete es in rot-weiß, die türkische Nationalhymne schallte herab auf die Menschen, die gerade aus der Dubai Mall strömen. Zu lesen war: Hoş geldiniz - herzlich willkommen und natürlich noch ein Hashtag, um dieses Spektakel auch viral gehen zu lassen: #UAE_Türkiye_Strategic_Relations.
Am Montag landete der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zum ersten Mal nach fast zehn Jahren in den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Noch vor wenigen Monaten wäre ein solcher Besuch undenkbar gewesen. Seit Beginn des Arabischen Frühlings 2010/2011 liegen die Türkei und die VAE im Dauerkonflikt. Die beiden Länder haben unterschiedliche Vorstellungen wie es nach dem Fall der arabischen Diktatoren weitergehen soll: Erdoğan und seine Regierungspartei AKP fühlen sich den Muslimbrüdern politisch-ideologisch verbunden, Abu Dhabi sieht seine autoritäre Staatsform durch die Revolutionen in Gefahr und stützt die Militärregime in Ägypten, Libyen und dem Sudan.
Erdoğans Visite vorausgegangen war ein Besuch des Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, kurz MbZ, vergangenen November in Ankara. Es liegt nahe, dass der türkische Präsident angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise auf emiratische Investitionen schielt. Doch was will MbZ? "Der schwarze Prinz", wie ihn die Türken nennen, ist De-facto-Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate; er reagiert mit der Annäherung an Ankara auf die neue Sicherheitsarchitektur in der Region. Unter US-Präsident Donald Trump war man sich einig: Iran war der Feind, es galt das Atomabkommen zu verhindern. Doch mit der neuen US-Regierung unter Präsident Joe Biden, die das Atomabkommen mit Iran wiederbeleben will, haben sich die Beziehungen abgekühlt. Die Emirate suchen die Annäherung an Teheran und könnten daher auch ein Interesse an Erdoğans Kontakten dorthin haben.
Auch die politischen und militärischen Konflikte um Katar und in Libyen, in denen sich Ankara und Abu Dhabi unversöhnlich gegenüberstanden, haben sich inzwischen weitgehend erledigt. Es ist also auch im Sinne von MbZ sich mit einem regionalen Akteur wie der Türkei zu arrangieren, selbst wenn alte ideologische Gräben weiterhin bestehen.
Erdoğan wiederum handelt klar erkennbar aus der Not heraus. Seine selbstbewusste und oft aggressive Außenpolitik der vergangenen Jahre, mit der er die Türkei zu einer regionalen Vormacht machen wollte, ist inzwischen weitgehend gescheitert. Die Türkei hatte sich durch die unverhohlene Unterstützung der Muslimbrüder nicht nur mit den VAE, sondern auch mit anderen arabischen Schwergewichten wie Saudi-Arabien und Ägypten ohne Rücksicht auf Verluste angelegt. Ankara hatte den VAE zeitweise sogar vorgeworfen, die in der Türkei als Terrororganisation geführte Bewegung des Predigers Fetullah Gülen finanziert und so den gescheiterten Staatsstreich von 2016 mitgetragen zu haben.