Berlin stellt Nord Stream 2 infrage
Süddeutsche Zeitung
Nach Außenministerin Baerbock droht auch Kanzler Scholz mit Folgen für das Pipeline-Projekt, sollte Russland die Ukraine angreifen. Die Außenminister der USA und Russlands treffen sich am Freitag in Genf.
Russland muss nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für den Fall eines Angriffes auf die Ukraine auch mit Konsequenzen für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 rechnen. "Klar ist, dass es hohe Kosten haben wird und alles zu diskutieren ist, wenn es zu einer militärischen Intervention gegen die Ukraine kommt", sagte Scholz nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag in Berlin zur Frage, ob die Pipeline von Strafmaßnahmen betroffen sein werde. Bislang hatte Scholz äußerst reserviert auf Forderungen reagiert, mit einem Aus für Nord Stream 2 zu drohen.
In Moskau sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einem Treffen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow, Deutschland habe "keine andere Wahl, als unsere gemeinsamen Regeln zu verteidigen, auch wenn dies einen hohen wirtschaftlichen Preis hat". Sie warb dafür, rasch die von Deutschland und Frankreich vermittelten Gespräche zwischen Russland und der Ukraine im sogenannten Normandie-Format wieder aufzunehmen. Die Umsetzung der aus den Verhandlungen hervorgegangenen Minsker Vereinbarungen für einen Waffenstillstand und die Beilegung des Konflikts in der Ostukraine ist ein zentraler Streitpunkt zwischen Moskau und Kiew. Lawrow beschuldigte die Ukraine, ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen. Baerbock sagte, über die Lage vor Ort gebe es unterschiedliche Ansichten.
Bundeskanzler Scholz verlangte von Russland den Beginn eines Truppenabzugs von der Grenze zur Ukraine. "Wir erwarten von Russland, dass es die Lage deeskaliert. Dazu könnte zum Beispiel eine Reduktion der Truppen an der ukrainischen Grenze gehören", sagte er. Jedwede russische Aggression gegen die Ukraine werde schwere Konsequenzen haben. Mit den Verbündeten bereite man sich darauf vor, "sofort präzise reagieren zu können". Deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine schloss er weiterhin aus. "Die deutsche Bundesregierung verfolgt seit vielen Jahren eine gleichgerichtete Strategie in dieser Frage. Und dazu gehört auch, dass wir keine letalen Waffen exportieren", sagte er. Großbritannien liefert derzeit leichte Panzerabwehr-Waffen.
Stoltenberg sprach von einem entscheidenden Moment für die europäische Sicherheit angesichts des Aufmarsches von etwa 100 000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine. "Die Gefahr eines Konflikts ist real", sagte er. Scholz wie Stoltenberg betonten die Bereitschaft zum Dialog mit Russland. Er habe die Mitglieder des Nato-Russland-Rates zu einer Serie von Gesprächen eingeladen, sagte Stoltenberg. Man sei bereit, über russische Sorgen zu sprechen, werde aber keine "Kernprinzipien" der Nato zur Disposition stellen. Dazu gehöre die freie Bündniswahl.
US-Außenminister Antony Blinken telefonierte am Dienstag mit Lawrow. Die beiden vereinbarten ein Treffen am Freitag in Genf. Zuvor besucht Blinken an diesem Mittwoch Kiew und dann am Donnerstag Berlin. Aus dem US-Außenministerium hieß es, bei dem Treffen in Genf gehe es darum auszuloten, ob Russland weiter den Weg der Diplomatie beschreiten wolle.