Behinderten-Anwalt: BVerfG-Triage-Urteil ist wichtiges Signal
DW
Hätte das Bundesverfassungsgericht der Klage von Behinderten nicht stattgegeben, hätte das im Fall einer Triage "ganz klar bedeutet, dass sie sterben werden", sagt Behindertenrechtsanwalt Oliver Tolmein im DW-Gespräch.
Im Sommer 2020 haben neun chronisch kranke und behinderte Menschen das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, weil sie befürchteten, im Fall einer Triage wegen ihrer Behinderung nicht behandelt zu werden. Herr Tolmein, Sie hatten als Anwalt die Klage für sie eingereicht. Weshalb war die Verfassungsbeschwerde so wichtig, so dringlich?
Oliver Tolmein: Es ging darum, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, eine Schutzvorschrift, ein Gesetz zu erlassen, das eine drohende Triage so regelt, dass Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden. Er hat vielmehr die Auffassung vertreten, dass das im Falle von knappen Ressourcen eine Sache ist, die die Ärzte schon irgendwie managen werden, und damit eine spezifisch medizinische Aufgabe.
Das haben wir anders gesehen. Eine gesellschaftliche Frage, nach welchen Kriterien entschieden werden soll, wer die knappen Ressourcen erhält, kann nur der Gesetzgeber regeln.
Am 28. Dezember 2021 hat das Bundesverfassungsgericht dann seine Entscheidung getroffen. Welche Konsequenzen hat das?
Der Gesetzgeber ist dadurch gehalten, unverzüglich Vorsorge und Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass im Fall einer Triage Menschen mit Behinderungen wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden. Das ist sozusagen der Auftrag.