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Bachs schräger Shakespeare-Vergleich

Bachs schräger Shakespeare-Vergleich

Süddeutsche Zeitung
Saturday, February 05, 2022 10:58:20 AM UTC

Thomas Bach setzt Sportler, die sich politisch äußern wollen, mit Bühnen-Schauspielern gleich. Was hat der IOC-Präsident bei Hamlet falsch verstanden?

Man muss sich das mal kurz vorstellen: Hamlet hat gerade Polonius, den er fälschlicherweise für den Mörder seines Vaters gehalten hat, mit einem Dolchstoß umgebracht. Entsetzt über dieses Missverständnis und mit Theaterblut an den Händen tritt Hamlet dann schnaufend an den Bühnenrand und raunt zum Publikum: "Danke, Merkel." So in etwa sähe es aus, wenn ein Schauspieler während einer Vorstellung politische Botschaften abgeben würde. Klingt bescheuert? Findet Thomas Bach auch.

Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees sagte am Donnerstag: "Wenn ein Schauspieler in einem Theater Hamlet spielt, fragt sich auch keiner, ob er während des Stücks politische Meinungen äußern kann." Damit wollte er die Regeln des IOC rechtfertigen, die den Athleten während der Wettkämpfe und der Siegerehrungen politische Meinungsäußerungen verbieten. Zunächst ist das richtig beobachtet, denn ein während der Vorstellung politische Botschaften verkündender Hamlet-Schauspieler wäre fast genauso überraschend wie eine Skifahrerin, die beim Super-G kurz mal abbremst, um ein paar Gedanken zum Klimaschutz loszuwerden.

Blut, Schweiß und Tränchen: Der Bilderteppich wird besonders dick sein in Peking. Aber er kann nicht mehr verbergen, was aus Olympischen Spielen wird, die Aura, Form und Haltung verloren haben.   Von Holger Gertz

Was aber hat der Hamlet mit dem Super-G zu tun? Und: Wem wird hier eigentlich mehr unrecht getan, den Sportlern oder den Schauspielern?

Was Shakespeare-Fan Bach sagen will, ist ja das: Der Hamlet hält sich ans Textbuch und quatscht nicht einfach politisch zwischenrein - also stört auch ihr bitte die Vorstellung nicht. Dass er die Sportler offensichtlich für Rollenspieler in einer großen Inszenierung hält, ist dabei am wenigsten überraschend. Schon klar, auf eine Weise sind die Olympischen Spiele auch gigantisches Theater. Es gibt hier wie dort Helden und Antihelden, Helferlein bei Straucheln und Texthängern, brav applaudierende Zuschauer, die für ihr Geld unterhalten werden wollen, und immer einen, der nackt übers Feld oder die Bühne rennt. Mit dem kleinen Unterschied nur, dass in Peking leider nicht Shakespeare, sondern das IOC das Stück verfasst hat, was man durchaus als Tragödie im doppelten Sinn verstehen darf.

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