Ausländischer Pass, weniger Lohn
Süddeutsche Zeitung
Diskriminierung, Sprachhürden, technischer Wandel: Arbeitnehmer aus dem Ausland verdienen schlechter. Neue Daten zeigen: Der Abstand zu Deutschen nimmt sogar zu.
Wie viel jemand in Deutschland verdient, lässt sich am Reisepass erkennen. Deutsche Arbeitnehmer bekommen pro Stunde 13 Prozent mehr Lohn als ausländische, hat nun das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt. Noch auffälliger als dieser Unterschied ist, wie er sich entwickelt: Das Lohnminus der Ausländerinnen und Ausländer hat sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. Das geht aus der unveröffentlichten Studie vor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
Warum ein ausländischer Bürger weniger verdient, kann viele Gründe haben. Sprachbarrieren zählen dazu, genau wie Unterschiede in der Qualifikation. Oder Diskriminierung: Mit ausländischem Namen hat man es oft schwerer, für einen begehrten Job zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
Das erklärt noch nicht, warum der Lohnabstand größer wird. Die Qualifikationen zum Beispiel nähern sich an. Unter neu zuziehenden Migranten gab es zuletzt zwar einen höheren Anteil ohne Schulabschluss als bei Deutschen - aber auch mehr Akademiker. "Trotz weiter erheblicher Unterschiede nahmen die mittleren Bildungsunterschiede zwischen Deutschen und Ausländern über die vergangenen Jahrzehnte ab", sagt RWI-Forscher Eduard Storm.
An der Qualifikation liegt die Zunahme des Lohnabstands also nicht. Und auch nicht an den hohen Migrationszahlen seit 2015: Die ausländischen Arbeitnehmer sind im Schnitt weitaus länger im Land. Sie sind eine mehrere Millionen große Gruppe, in der sich polnische Bauarbeiter genauso finden wie indische Programmierinnen oder bosnische Paketboten. Sie stammen je zur Hälfte aus Osteuropa und zu je einem Viertel aus dem restlichen Europa und außereuropäischen Ländern.
Storm präsentiert eine andere Erklärung dafür, dass der Lohnabstand zunimmt: "Einheimische Arbeitnehmer zählen tendenziell zu den Gewinnern des technologischen Wandels, ausländische tendenziell zu den Verlierern." Demnach machen ausländische Beschäftigte unabhängig von der Qualifikation häufiger als deutsche manuelle Jobs im Service, in der Logistik oder am Bau. Und die sind inzwischen eher schlecht bezahlt als viele andere Stellen, werden häufig über Leiharbeit und von Subunternehmern vergeben.