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Auf der Ehrenrunde

Auf der Ehrenrunde

Süddeutsche Zeitung
Sunday, February 06, 2022 07:20:50 AM UTC

Über 3000 Meter wird Claudia Pechstein in Peking Letzte, stellt aber wieder einen Rekord auf: Als erste Frau hat die 49-Jährige nun an acht Olympischen Spielen teilgenommen. Und kommt "aus dem Strahlen nicht mehr heraus".

Ein kurzer, vergewissernder Blick auf den Monitor: "Noch hab ich ihn!", stellte Claudia Pechstein fest. Dann wandte sie sich der letzten Gruppe der Fragesteller in der Eisarena von Peking zu. Der Wettkampf war noch im vollen Gang, aber Pechstein ahnte bereits, dass sie ihn als Letzte im Klassement abschließen würde; die besten Läuferinnen um die niederländische Europameisterin Irene Schouten waren noch nicht einmal in die Starthocke gegangen. Aber immerhin: Zu diesem Zeitpunkt hielt Claudia Pechstein aus Berlin, 49 Jahre alt, noch den Olympischen Rekord von 3:57,70 Minuten auf dieser 3000-Meter-Strecke, aufgestellt 2002 in Salt Lake City. Wenigstens dieses letzte Viertelstündchen.

Dann war auch das vorbei: Schouten gewann, schoss in 3:56,93 auf die Ziellinie zu, schnappte sich im Vorübergleiten den Olympiasieg samt -rekord. Und Claudia Pechstein, fünfmalige Olympiasiegerin? War auch weiterhin entschlossen, sich ihr persönliches Glücksgefühl zu bewahren.

Fahnenträger bei Olympischen Spielen sollen eine Vorbildfunktion haben. Deswegen ist es unverständlich, weshalb nun die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein die deutsche Mannschaft anführt.   Kommentar von Johannes Aumüller

"Olympiasieger gibt es so viele, aber Fahnenträger nicht so viele", hatte sie nach ihrem Rennen erklärt. Dass sie am Abend zuvor die deutsche Mannschaft bei der Eröffnungsfeier anführen durfte, war ein Grund, weshalb sie an diesem Samstagnachmittag in Peking vielleicht nicht übers Eis, aber ganz gewiss auf einer Wolke schwebte. Und schon mit dem ersten Schlittschuhschritt im Oval hatte sie weiter Fakten geschaffen: Sie ist nun die erste Frau, die bei acht Olympischen Spielen angetreten ist. Bisher war das nur einem Mann, dem japanischen Skispringer Noriaki Kasai, gelungen. Um die Sache nach Pechsteins Muster noch ein bisschen zuzuspitzen: Fahnenträger gibt es viele, Rekordteilnehmerinnen aber nicht.

Vor dieser Lebensleistung, das wusste sie, rückten alle anderen Zahlen des Tages ins Kleingedruckte, auch der Fakt, dass sie mit ihren 4:17,16 Minuten 20 Sekunden hinter der 20 Jahre jüngeren Schouten blieb, an die sie ihren 20 Jahre alten Olympiastreckenrekord verlor. "Das ist für mich ein Sieg", sagte sie, "ich komme aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus."

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