Anti-COVID-Proteste in China weiten sich aus
DW
Der Unmut in der chinesischen Bevölkerung über die Corona-Maßnahmen der Regierung wächst weiter. Die Behörden verschärfen ihren Kurs - ein westlicher Journalist wurde verhaftet. Die Börse dreht ins Minus.
Es ist die größte Protestwelle in China seit Jahrzehnten - und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil: In vielen Städten gingen am Wochenende und in der Nacht zu Montag immer mehr Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung von Staatschef Xi Jinping und seine strikte Null-COVID-Politik zu protestieren. Dazu gehören unter anderem wiederholte Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne. Trotz der rigorosen Maßnahmen verzeichnete die Gesundheitskommission am Montag mit rund 40.000 Neuinfektionen wieder einen Höchststand im Land.
Viele der Demonstranten hielten ein leeres weißes Blatt Papier in die Höhe, um die Einschränkungen der Meinungsfreiheit durch staatliche Zensur zu symbolisieren. "Das weiße Papier steht für alles, was wir sagen wollen, aber nicht sagen können", sagte ein 26-Jähriger der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag (Ortszeit) bei einer der vielen Protestveranstaltung entlang der 3. Ringstraße der chinesischen Hauptstadt in der Nähe des Liangma-Flusses. "Wir wollen wieder ein normales Leben führen. Wir wollen Würde haben."
Noch in den frühen Morgenstunden ging ein Großaufgebot der Polizei in der Hauptstadt Peking gegen Hunderte protestierende Menschen nahe dem Diplomatenviertel vor. Es wurden Parolen wie "Hebt den Lockdown auf" und "Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit" gerufen. Protestmärsche gab es auch in anderen Millionenstädten wie Shanghai, Chengdu, Chongqing, Wuhan und Nanjing. Auch in Universitäten regt sich Unmut. Soziale Medien waren voll mit Videoaufnahmen, die von der chinesischen Zensur aber schnell wieder gelöscht wurden.
Wie viele Menschen festgenommen wurden, ist unklar. In China herrscht praktisch eine Nachrichtensperre. Die Nachrichtenagentur AFP berichtet von zwei Festnahmen in Shanghai. Dort wurde auch ein BBC-Reporter festgenommen und nach eigenen Angaben von Polizisten misshandelt. "Die BBC ist extrem besorgt über die Behandlung unseres Journalisten Ed Lawrence, der festgenommen und in Handschellen gelegt wurde, während er über die Proteste in Shanghai berichtete", sagte ein Sprecher des britischen Senders. Lawrence sei bei der Festnahme von Polizisten geschlagen und getreten worden, obwohl er eine Akkreditierung als Journalist habe. Erst Stunden später sei er wieder freigelassen worden. Das chinesische Außenministerium ließ dagegen mitteilen, der vorübergehend Festgenommene habe sich nicht als Pressevertreter zu erkennen gegeben.
Die britische Regierung verurteilte das gewaltsame Vorgehen der chinesischen Polizei als "inakzeptabel" und "besorgniserregend". Wirtschaftsminister Grant Shapps sagte in einem Interview mit dem Radiosender LBC, die Pressefreiheit müsse "unantastbar" sein, unabhängig von den Ereignissen in einem Land.