Alles läuft im Sinne des Systems - oder gar nicht
Süddeutsche Zeitung
Gefängnis, Geldstrafe, Olympia-Ausschluss: Vor den Winterspielen in Peking zeigt sich erneut auf verstörende Art und Weise, wie Willkür und Repressionen den Sport in Belarus prägen.
Dieser Traum von Olympia, er war schon eine ganze Weile da. Mit zehn Jahren fing Swetlana Andrijuk mit dem Langlauf-Training an, mit 14 lief sie ihr erstes offizielles Rennen, schon bald zeigte sich ihr Talent. Sie schrieb sich zwar auch an der Universität ein, Fakultät Sport, aber erfolgreich Skilanglauf zu betreiben, das war immer ihr Ziel. Doch jetzt ist Andrijuk 22 Jahre alt und sagt am Telefon: "Mein Traum war es, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, dort zu laufen und die Atmosphäre zu spüren. Aber den haben sie mir genommen. Und ich weiß nicht, warum."
Die Belarussin Andrijuk versteht dieser Tage die Welt nicht mehr, genauso wie ihre Trainingskollegin Darja Dolidowitsch, die erst 17 Jahre alt ist und zu den größten Langlauf-Talenten des Landes gehört. Als die Saison begann, war die Qualifikation für Peking ihr Ziel gewesen, wobei sie wusste, wie schwer das werden würde, weil die nationale Spitze noch andere bilden und die belarussischen Langlauf-Frauen nur zwei Startplätze haben. Aber irgendwann ist es völlig unmöglich geworden, weil das System sie quasi rausgeworfen hat. Schon seit ein paar Monaten habe es schräge Vorgänge gegeben, berichtet Andrijuk, und auf einmal war ihr offizieller Status beim Ski-Weltverband Fis auf "nicht aktiv" gesetzt. Das heißt, dass sie ebenso wie Dolidowitsch zwar noch munter trainieren darf, aber keine Rennen mehr bestreiten kann.
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"Mein Traum war Olympia, aber den haben sie mir genommen": Langläuferin Swetlana Andrijuk.
Eine offizielle Erklärung bekamen die Langläuferinnen nach eigenen Angaben nicht, die belarussische Föderation antwortet auf eine Anfrage nicht. Aber offenkundig lag es daran, dass sich ihr Trainer Sergej Dolidowitsch, Darjas Vater, der als siebenmaliger Olympia-Teilnehmer zu den berühmtesten Sportlern des Landes zählt, gegen das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko positioniert.
