
Afrika: China baut Straßen - Europa zählt Insekten
DW
Nicht Partner auf Augenhöhe, sondern bloße Hilfsempfänger: So erleben sich afrikanische Entscheidungsträger in der Zusammenarbeit mit Europa. Das ergibt eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung.
Der Expressway schlängelt sich wie ein riesiger Fluss auf Stelzen durch die Metropole: Über 27 Kilometer erstreckt sich die Schnellstraße durch das Herz von Nairobi und verbindet Kenias wichtigsten Flughafen mit dem zentralen Geschäftsviertel von Nairobi, dem Nationalmuseum und dem Präsidentenpalast. Nur zwei Jahre hat der Bau unter der Ägide Chinas gedauert. Seit Mai nun soll die mautpflichtige Straße helfen, die verstopften Verkehrsadern der Stadt zu entlasten. Chinas Staatsunternehmen liegen laut einer im Juni veröffentlichten Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit zügigen Entscheidungen und zügiger Umsetzung von Aufträgen in Afrika immer weiter vor den europäischen Mitbewerbern.
Für die Studie der FDP-nahen Stiftung wurden mehr als 1600 Entscheidungsträger aus 25 Ländern befragt, darunter Top-Manager, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Beamte. Ihre Antworten zeichnen das Bild eines Europa, das vor allem Wertvorstellungen nach Afrika zu exportieren sucht, während aus China Kredite, Bagger und Arbeiter kommen. "The Clash of Systems" - das Aufeinanderprallen zweier Systeme, so überschreibt die Stiftung die Ergebnisse der von der kenianischen Denkfabrik IREN (Inter Region Economic Network) durchgeführten Online-Befragung.
Dabei falle auf, dass die Europäer in der Wahrnehmung von Entscheidungsträgern bei den meisten Leistungsindikatoren besser dastünden, sagt Stefan Schott, Projektleiter Ostafrika und Global Partnership Hub bei der Friedrich-Naumann-Stiftung. Hervorzuheben seien die sozialen Standards, die Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Einheimische, Umweltstandards, die Qualität der Produkte. Auf einer Liste mit 17 Kriterien haben chinesische Unternehmen nur bei vier Indikatoren die Nase vorn - sie entscheiden schneller, setzen Projekte schneller um, mischen sich weniger in innere Angelegenheiten ein - und haben weniger Skrupel vor dem Einsatz von Korruption, die nach Wahrnehmung der Befragten aber auch bei europäischen Unternehmen zum Einsatz kommt.
"Offenkundig sind das die wichtigsten Faktoren, anders ist der Erfolg der Chinesen in Afrika nicht zu erklären", sagt Schott im DW-Interview. Die Europäer müssten daraus ihre Schlüsse ziehen. Das betreffe auch ihren Ruf, Vorschriften zu machen. "Die paternalistische Verhaltensweise der Europäer ist ein Problem, damit haben die Afrikaner Schwierigkeiten", betont Schott.
Wie lautet angesichts dieser Erkenntnis die Empfehlung an die deutsche und europäische Afrikapolitik?: "Wir würden nie dazu raten, die europäischen Werte Demokratie, Menschenrechte, Nachhaltigkeit über Bord zu werfen. Das würde die Position Europas schädigen", sagt Schott. Aber die Länder müssten kritisch hinterfragen, ob man mit europäischen Maßstäben an Verhältnisse in Afrika herangehen sollte oder ob dies übertrieben sei. "Wenn die besten Standards so hoch sind, dass die Chinesen immer das Geschäft machen, hat man für die soziale Lage nichts Gutes bewirkt", sagt Schott zur DW. Die Europäische Union rede von Werten, aber wenn eine fertige Straße zu einem Dorf führe, sei das auch ein Wert.
