„Es tut mir leid, es wird heute nichts mehr“, sagt der Richter verärgert
Die Welt
Heimtückischer Mord oder Unfall? Das Urteil im sogenannten Kannibalismus-Prozess gegen Stefan R. stand unmittelbar bevor. Doch die Verteidigung zweifelt an der Kompetenz des Rechtsmediziners und wirft dem Charité-Experten Fehler vor.
Am Ende wartet Michael Tsokos drei Stunden lang vergeblich vor dem Gerichtssaal. Tsokos leitet das Rechtsmedizinische Institut der Berliner Charité, und an diesem Dienstag soll er als Sachverständiger aussagen. Doch als er am Mittag schließlich aufgerufen wird, dauert sein Aufenthalt im Saal nur wenige Sekunden. „Es tut mir leid, es wird heute nichts mehr“, informiert ihn der sichtlich verärgerte Vorsitzende Richter Matthias Schertz. Tsokos, vielen Zuschauern aus Fernsehbeiträgen als Buchautor bekannt, kehrt wieder um und verlässt den Saal.
Eigentlich sollte er sich erneut den Fragen des Gerichts in einem Mordprozess stellen. Die Verteidigung hatte seine Kompetenz als Rechtsmediziner angezweifelt. Tsokos habe sich nicht an die Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie gehalten, er habe den Analysezeitraum von Proben und Werten nicht angegeben. Und so endet die Verhandlung am Dienstag, eigentlich als vorletzter Tag vor dem Urteil geplant, ohne jegliche Zeugenaussage. Dafür kündigt die Verteidigung an, einen Befangenheitsantrag zu stellen. Damit gelang es den beiden Anwältinnen, zu verhindern, dass Tsokos erneut zu Wort kam und ihren Mandanten womöglich weiter belastet hätte.