„Dieser verrückte Mann bezeichnet uns als Brüder – und dann schießt er auf uns?“
Die Welt
Die Bilder der zerbombten Stadt Charkiw im Osten der Ukraine schockieren die Welt. Pavlo, 36, ist Fotograf in der zweitgrößten Stadt des Landes und dokumentiert die Zerstörung. Er hofft, dass seine Bilder irgendwann in Den Haag helfen werden, russische Kriegsverbrechen zu beweisen.
Die ersten Anrufe gehen noch ins Leere, aber dann – ganz früh am Freitagmorgen – klappt die Verbindung nach Charkiw doch. „Hallo, kannst Du mich jetzt hören?“, fragt eine dunkle Männerstimme. Ein Feuerzeug klackt im Hintergrund, Pavlo zündet sich eine Morgenzigarette an. Im Hintergrund surrt eine Kaffeemaschine. Sonst hört man nichts. Keine Explosionen, keine Sirenen. „Ja“, sagt Pavlo. „Es ist total ruhig. Kein Autolärm, keine Musik, die man sonst hören würde. Die Straßen sind komplett leer.“ Das sei unheimlich, fast schon gespenstisch. Mehr als 1,4 Millionen Menschen lebten noch bis vor kurzem hier.
Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine und nur etwa 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, wurde seit Kriegsbeginn vergangene Woche schwer von Bomben getroffen. Die Stadt galt als eine der ersten strategischen Ziele des russischen Einmarsches – die Armee traf dort aber auf erbitterten Widerstand der Bevölkerung, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Deshalb kamen bald die Bomben – und zerstörten das, was Pavlo so sehr liebt: die Architektur von Charkiw seiner Geburtsstadt, das historische Erbe. Kirchen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, alte sowjetische Prachtbauten.