„Die Luft, die wir atmen“ heute im Ersten – Cleverer Kniff sorgt für entscheidende Wende
Frankfurter Rundschau
„Die Luft, die wir atmen“ ist ein toll gespieltes und mit viel Empathie erzähltes Ensemble-Drama über Menschen, die unfreiwillig eine Nacht in einem Pflegeheim verbringen.
Was hätte das für ein schweres, bedrückendes Drama in der ARD werden können! Schließlich behandeln Pflegeheimgeschichten regelmäßig die gleichen düsteren Themen: Den Betreibern geht es nur ums Geld; das Personal ist überfordert und entsprechend unfreundlich; Söhne und Töchter haben ihre Eltern abgeschoben und hoffen, möglichst bald zu erben; von Siechtum und würdelosem Sterben ganz zu schweigen.
Der Tod ist zwar auch in „Die Luft, die wir atmen“ (ARD) zu Gast, aber davon abgesehen ist es schon erstaunlich, welch’ eine Lebensfreude die Autorin Julia C. Kaiser und der Regisseur Martin Enlen verbreiten. Dabei ist das mit viel Empathie umgesetzte Drehbuch weit davon entfernt, eine Komödie zu sein; und doch hinterlässt er eine heitere Gelassenheit.
Das hat vor allem mit den Begebenheiten zu tun, von denen der Film im Ersten erzählt. Es gibt zwar keine zentralen Figuren, aber drei Paare rücken im Verlauf der Handlung stärker in den Mittelpunkt: Der alte Herr Glenski (Gerd Wameling) leidet unter beginnender Demenz. Seine Tochter Alisa (Bernadette Heerwagen) braucht unbedingt eine Bankvollmacht, weil sie die Kosten fürs Heim bislang aus eigener Tasche bezahlt, doch der alte Mann weigert sich zu unterschreiben.
Derweil erleidet Jürgen (Thomas Loibl), der offenbar sein Leben lang unter einer furchtbaren Mutter gelitten hat, in „Die Luft, die wir atmen“ an deren Sterbebett eine Panikattacke, als sie plötzlich wieder zu sich zu kommen scheint. Die Heimleiterin bringt ihn über Nacht in einem Zimmer unter, das soeben frei geworden ist; dort trifft er auf Marianna, die Tochter (Patrycia Ziolkowska) der früheren Bewohnerin. Und dann ist da noch das Floristenpaar Klaus und Sylvia Bronstein (Rainer Bock, Ruth Reinecke): Sie wirkt auf den ersten Blick eigentlich noch sehr vital, hat sich aber für das Seniorenheim entscheiden, weil sie nicht vor seinen Augen verkümmern will, doch für ihn fühlt es sich an, als habe sie ihn verlassen.
Bis zu diesem Punkt bewegt sich ist „Die Luft, die wir atmen“ in der ARD in erwartbaren Bahnen, aber dann sorgt ein ebenso simpler wie cleverer Kniff dafür, dass das Dasein der Menschen eine entscheidende Wende nimmt: Draußen braut sich was zusammen. Schon zu Beginn des Films haben die Radionachrichten vor Blitzeis gewarnt. Als das Unwetter ausbricht und die Straßen nicht mehr passierbar sind, müssen alle Beteiligten die Nacht notgedrungen im Heim verbringen: die Besucher ebenso wie das Personal.