Über 400 Leichen in zurückeroberter Stadt gefunden - Selenskyj spricht von "Massengrab"
ProSieben
In der ukrainischen Stadt Isjum sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten mehr als 400 Leichen in einem "Massengrab" gefunden worden.
In der ostukrainischen Stadt Isjum im Gebiet Charkiw ist nach dem Abzug russischer Truppen offenbar ein Massengrab gefunden worden. „Die nötigen prozessualen Handlungen haben dort schon begonnen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer am 15. September verbreiteten Videobotschaft. Zuvor hatten ukrainische Medien von einem Fund von mehr als 440 Leichen in einem Wald berichtet.
Der leitende Ermittler der ukrainischen Polizei in der Region Charkiw sprach gegenüber dem britischen Fernsehsender Sky News von "einem der größten Gräber in den befreiten Städten". "Wir wissen, dass einige (Anm. d. Red. der in der Grube begrabenen Menschen) erschossen wurden, einige starben durch Artilleriebeschuss oder durch sogenannte Minenexplosionsverletzungen", so Sergej Bolwinow. "Einige starben bei Luftangriffen." Viele Leichen seien den Informationen zufolge noch nicht identifiziert.
Die Identifizierung laufe und es werde weiterhin nach Leichen gesucht. Nach Angaben des ukrainischen Vermisstenbeauftragten Oleh Kotenko gegenüber der Agentur Unian werde die Suche allerdings durch Minen erschwert. "Wir setzen die Arbeit fort (...), damit die Familien die Soldaten, die für die Ukraine gestorben sind, so schnell wie möglich angemessen ehren können", so Kotenko weiter.
Bei den bisherigen Leichenfunden handelt es sich Kotenko zufolge allerdings nicht um ein Massengrab, sondern um viele Einzelgräber. "Ich möchte das nicht Butscha nennen – hier wurden die Menschen, sagen wir mal, zivilisierter beigesetzt", so der Vermisstenbeauftragte gegenüber dem TV-Sender Nastojaschtschee Wremja. Die Menschen in Isjum seien wohl gestorben, als Russlands Truppen die Stadt im Zuge der Eroberung Ende März heftig beschossen hätten, sagte Kotenko weiter. "Die Mehrzahl starb unter Beschuss, wir haben das den Daten nach bereits verstanden: Die Menschen kamen um, als sie (die Russen) die Stadt mit Artillerie beschossen." Die Bestattungsdienste hätten zum Teil nicht gewusst, wer die vielen toten Menschen seien. Deshalb stünden auf einigen Kreuzen nur Nummern. Derzeit bemühten sich die Behörden, ein Register mit den Fundorten der Leichen zu finden.
Selenskyj sagte in seiner Botschaft, dass die Russen das Gebiet am 10. September nach einer ukrainischen Gegenoffensive fluchtartig verlassen hätten. Das Verteidigungsministerium in Moskau sprach von einer "Umgruppierung" seiner Truppen, während selbst kremlnahe Quellen von einer "verheerenden Niederlage" ausgingen. Selenskyj besuchte Isjum am 14.9., am 16.9. sollen Journalisten zu dem Massengrab gebracht werden. "Wir wollen, dass die Welt erfährt, was wirklich passiert und wozu die russische Okkupation geführt hat", so Selenskyj in seiner Botschaft.