Robin Robertson „Wie man langsamer verliert“: Sie nennen es Patriotismus, aber es ist Rassismus. Und Verfolgungswahn
Frankfurter Rundschau
Der Schotte Robin Robertson lässt in einem kühnen Prosa-Lyrik-Band einen afroamerikanischen Weltkriegsveteranen erzählen.
Aquädukte stürzen ein, Autobahnen sacken ab, Gebäudeblocks verschwinden in 30 Meter hohen Feuersäulen. Es ist die Apokalypse eines gewaltigen Erdbebens, die Robin Robertson fast am Ende seines Textes „Wie man langsamer verliert“ heraufbeschwört. Los Angeles geht unter. Es ist nur eine Fantasie. Und doch beschließt sie konsequent diese Mischform von Versen und Erzählung, deren Bilder von grober Gewalt und zärtlicher Poesie lange nachwirken, deren Farben und Gerüche präsent bleiben. Ein Jahrzehnt von 1948 bis 1957 in der Stadt der Engel bildet für den schottischen Erzähler die wichtigste Ebene. Der Kriegsveteran mit dem symbolischen Namen Walker versucht verzweifelt, in der Großstadt wieder Fuß zu fassen. Er verdingt sich als Lokalreporter. Doch die Gräuel des Zweiten Weltkrieges, die blutigen Tage nach der Landung der alliierten Truppen am 6. Juni 1944 in der Normandie, brechen stets aufs Neue in seinen Alltag ein. Sie bilden den zweiten Strang der Erzählung. Dazu kommen die Jugend und die große Liebe Annie in Kanada, die zurückblieben und trotz aller Beschwörung nie mehr wiederkehren. Wie Robertson diese drei Fäden miteinander verflechtet, wird zum literarischen Ereignis. Walker läuft durch den Moloch Los Angeles und erschließt ihn sich so. „Die Palmen wurden im silbrigen Blau des Abends zu Silhouetten“, heißt es in der Übersetzung von Anne Kristin Mittag, „er bemerkte einen Fledermausschwarm, der über die Dächer, über die Klimaanlagen flockte; die Neon-Nasenschilder darunter klickten wie Insektenlampen, sprühten Funken durch die Nacht.“More Related News